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Der Zócalo von Mexiko, Zapata und die Zapoteken

Eine Reise durch Mexiko in vielen Facetten, Teil 1

Als ich jung war, so 17, 18 Jahre, glühte mein Herz für Mexiko, liebte ich die geheimnisvolle Welt der Tolteken, der Azteken und Mayas, der Chichimeken und Zapoteken, der Olmeken und der Totonaken. Ja, ich kannte sie alle. Aber Mexiko war so weit weg.

45 Jahre später fand ich das Glühen wieder, verlor ich mein Herz an das wirkliche alte und heutige Mexiko. Erwartungen wurden übererfüllt, Kenntnisse bestätigt oder korrigiert. Und die Ehrfurcht vor den alten Kulturen, ihrem Leben und ihren Göttern, blieb bei jedem Stein, vor dem man stand, riesengroß.

Es ist schon beindruckend, wenn ein Fanfarensignal jeden Morgen um 8 Uhr das Hissen der mexikanischen Nationalflagge ankündigt. Zuerst sperrt das Militär den Zócalo ab, den großen Hauptplatz im Zentrum von Mexiko-City. An ihm befinden sich die größte Kathedrale Lateinamerikas, der Präsidentenpalais und einige Hotels mit schönem Blick, aber verblichenen Charme. Dann kommen eine Musikkapelle und eine Ehrenformation. Und dann zwanzig Soldaten, die etwas Riesiges tragen. Zusammengedreht. Es ist eben diese Flagge, die so groß ist. Aus der Ferne zwanzig Meter breit und fünfzehn hoch. Sie wird angehängt und bei Elektroantrieb in die Höhe gezogen, währen die Soldaten sie aufwickeln. Imposant und wenn sie dann an dem hohen Mast im Winde weht erst recht. 18 Uhr, ebenfalls jeden Tag, wird dieses Prachtstück, dass es in dieser Größe dreimal in Mexiko-City gibt, wieder eingeholt, zusammengedreht und die ganze Formation verschwindet im Präsidentenpalais. Eine Zeremonie, die ein Teil des mexikanischen Selbstverständnisses oder besser: ihres Findens der integrativen Identität ist. Für Außenstehende sehr beeindruckend.

Sieht man dann Dokumente, Filme und Bilder, des fast fünfzehnjährigen Kampfes der Zapatistas gegen die gleiche Armee, relativiert sich dieses Beeindruckende, zeigt aber auf der anderen Seite die Notwendigkeit integrativer Rituale.

Die Flagge zeigt in ihrem Wappen den Adler mit einer Schlange im Schnabel, auf einer Säulenkaktee sitzend. Mexico-Tenochtitlan, die Stadt der Azteken, der Mexicas – eine der Mythen der Azteken besagte, dass sich dieses aus dem Norden kommende Volk genau dort niederlassen sollte, wo sich dieser Adler zeigte. Es war auf einer Insel, mitten in einem See. Man hielt an, verschnaufte und baute seine großen Tempel. Ab diesem Zeitpunkt nannten sich die Azteken „Mexicas“, Mechikas gesprochen. Auch für mich etwas Neues.

Im Anthropologischen Museum mit seinen XX Sälen kann man diese Entstehungsgeschichte gut nachvollziehen. Im Aztekensaal entdeckt man neben Statuen und der berühmten Sonnenscheibe auch ein Plan von Mexiko-Tenochtitlan mit seinen vielen Tempeln. Drumherum die schwimmenden Gärten die als Quelle von Nahrung und Blumen diente. Die Blumen überwogen. Die Azteken hatten einen großen Bedarf, um ihre Tempel damit zu schmücken.

Auch heute noch kann man diese schwimmenden Gärten von Xochimilco im Süden der Hauptstadt  erleben. Nur das sie nicht mehr schwimmen. Als Anbauflächen dienen sie immer noch und dazwischen staken die Bootsführer, ähnlich wie im Spreewald, ihre Boote, überdacht und kunterbunt durch die Kanäle. An den Wochenenden sind hier Völkerstämme zu Gange, es ist ein Lieblingsausflugsort der Hauptstädter. Auf den Kähnen wird gegessen und getrunken, kleine Grillboote haben sich am Heck verhakt und brutzeln alles was grillbar ist. Manchmal fährt ein Boot mit einem Maisgrill vorbei. Harmlos, da wird nur der Mais hoch gereckt. Gefährlicher sind die mit Mariachis an Bord. Schaut man ihnen zu lange in die Augen oder fotografiert man sie, bekommt man ein Lied und eine ausgestreckte Hand für den entsprechenden Obolus. Und es gibt viele Mariachiboote.

Zurück zu den Blumen auf den Tempeln: Der größte, der Templo Mayor, war imposant, ist aber verschwunden. Die Sieger errichteten genau darüber ihre riesige Kathedrale. Neben ihr kann man einige Ausgrabungen sehen, die man erst in den 70er-Jahren begann. Manches Mal dauert die Aufarbeitung der Geschichte eben länger. Kennen wir ja. Dafür steht oder stand die Kathedrale schief. So schief, dass mit einem großen technischen Aufwand ihre Wände um XX Meter wieder gerade gerückt werden mussten. Der Untergrund des Sees und die Aztekengötter hatten sie in diese Schieflage gebracht.

Wobei letztere nur noch verklärt vorkommen. Die Mexikaner, Mestizen und Angehörige der indigenen Völker, sind streng katholisch – aber bitte nach ihrer Art. Beispiele für Synkretismus, dem Vermischen des katholischen Glaubens der Eroberer mit den naturreligiösen Elementen der Einheimischen findet man überall. Er war gewollt und eine Basis der Entstehung des mexikanischen Volkes.

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