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Was heißt Mobilität der Zukunft?

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Wir wollen oder müssen heute schnell von A nach B kommen. Dabei kommt es heute neben der Bequemlichkeit auch auf Sicherheit und die Schonung der Umwelt an. doch wie sieht es in 25 Jahren aus? In dieser Diskussion beantworten Dipl.-Soz. techn. Christian Scherf von der Technischen Universität Berlin und Vorsitzender der Jungen Gruppe der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion Steffen Bilger zu den Themen Mobilität der Zukunft.

Mehr über die Diskussionsteilnehmer erfahren sie im ARGOS II/2015.

Wie werden wir uns in Zukunft (in 25 Jahren) bewegen? Welche Verkehrsmittel werden dabei die größte Rolle spielen?

Welche Rolle werden dann noch Autos spielen und wie werden sie angetrieben (Elektro-, Wasserstoff-, Erdgas- oder klassischer Verbrennungsmotor)? Welchen Einfluss werden Energie-/Treibstoffpreise auf unser Mobilitätsverhalten haben?

Wird es ein deutlich unterschiedliches Mobilitätsverhalten von Menschen „auf dem Land“ und „in der Stadt“ geben? Werden sich Städter anders fortbewegen?

Welcher Aspekt der Mobilität ist Ihrer Meinung nach am stärksten unterschätzt?

Gerade in Städten verzichten immer mehr Menschen auf ein eigenes Auto und kombinieren stattdessen je nach Bedarf verschiedene öffentliche oder mietbare Verkehrsmittel. Welche Rolle spielt dabei die zunehmende Vernetzung der Nutzer? Hat sie diese Entwicklung erst möglich gemacht und wie wird sie sich weiterentwickeln?

Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung nimmt auch bei unserem Mobilitätsverhalten eine immer größere Rolle ein. Sei es, dass wir spontan ein Fahrzeug ausleihen oder das Straßenbahnticket mit dem Smartphone kaufen. Aber auch die Fahrzeuge werden immer selbstständiger. Autonomes Fahren ist keine Utopie mehr. Welchen Einfluss wird die Technik in Zukunft auf unser Mobilitätsverhalten haben?

 

Wie werden wir uns in Zukunft (in 25 Jahren) bewegen? Welche Verkehrsmittel werden dabei die größte Rolle spielen?

Christian Scherf: Angesichts des Klima- und Ressourcenschutzes wird die Mobilität 2040 von zwei Fragen abhängen: Erstens, wie viel Energie und Fläche wird pro Verkehrsteilnehmer benötigt und zweitens, ist eine CO2-arme Energieversorgung gewährleistet? Dies lässt sich durch die Verbindung von öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln und Elektromobilität erreichen. Öffentlicher Verkehr ist aber mehr, als bloße Personenbeförderung. Vermittlungsdienste zur Selbstorganisation gewinnen an Bedeutung. Dies können etwa Plattformen zum Fahrzeugteilen (Bike- und Carsharing), Mitfahrzentralen oder Taxi-Apps auf dem Smartphone sein. Elektromobilität umfasst vom Elektrofahrrad bis zum Schienenfernverkehr all jene Verkehrsmittel, deren Energie aus erneuerbaren und vielfältigen Quellen stammt.

Steffen Bilger: Prognosen sind bekanntlich schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Aber nach dem, was wir derzeit denken, wird es weiterhin eine Aufteilung in Massen- und Individualverkehr geben. Es gibt keine effizientere Art Menschen Mobilität in Großstädten – die mehr werden und wachsen – zu ermöglichen, als viele davon in einem Gefährt zu transportieren. Dabei gehen wir davon aus, dass wir unsere Mobilität voll vernetzt und digital koordiniert vornehmen werden. Ein elektronischer Helfer wird uns aufgrund bestimmter selbstgewählter Parameter – beispielsweise Umweltverträglichkeit, Zeit, Strecke – Vorschläge unterbreiten, welche Verkehrsmittel die besten sind.

Welche Rolle werden dann noch Autos spielen und wie werden sie angetrieben (Elektro-, Wasserstoff-, Erdgas- oder klassischer Verbrennungsmotor)? Welchen Einfluss werden Energie-/Treibstoffpreise auf unser Mobilitätsverhalten haben?

Christian Scherf: Autos werden weiterhin eine Rolle spielen, allerdings werden sie viel effizienter als heute eingesetzt werden. Dies gilt nicht nur in technischer, sondern auch in sozialer Hinsicht. Mehr Menschen werden sich weniger Autos teilen. Das verbessert einerseits die Auslastung des „fließenden“ und andererseits den Flächenverbrauch des „ruhenden“ Verkehrs. Die Antriebsart wird stark vom Einsatzort abhängen: Reine Elektroantriebe in Stadt und Umland, Hybrid- und Wasserstofffahrzeuge abseits der Städte. Für die Übergangsperiode kommen sicherlich auch noch Erdgas- sowie modernste Benzin- und Dieselmotoren in Betracht. Der Einfluss der Energiepreise wird in dem Maße nachlassen, wie es gelingt, den Verkehr mit einer regenerativen, aber auch dezentralen Energieversorgung in Bürgerhand zu verbinden.

Steffen Bilger: Ich gehe davon aus, dass wir in 25 Jahren mehrheitlich keine fossilen Brennstoffe mehr für unsere Mobilität verwenden werden. Vielleicht kommt bei den Batterien der ganz große Durchbruch (Effizienz und Kosten) und wir werden uns nur noch batterieelektrisch fortbewegen. Es kann aber auch durchaus sein, dass sich Wasserstoff auf langen Fahrten und für Nutzfahrzeuge durchsetzen wird. Im Jahr 2040 wollen wir in Deutschland einen Großteil des Energieverbrauchs regenerativ erzeugen. Da Strom im Vergleich zu Öl aber recht günstig ist und unterm Strich weniger Preis-Schwankungen unterliegt, wird der Einfluss nach meiner Einschätzung auf das Mobilitätsverhalten eher gering sein.

Wird es ein deutlich unterschiedliches Mobilitätsverhalten von Menschen „auf dem Land“ und „in der Stadt“ geben? Werden sich Städter anders fortbewegen?

Christian Scherf: Ja, in Städten wird die Bandbreite an Mobilitätsoptionen voraussichtlich bedeutend größer sein. Kommerzielle Verleih- und Vermittlungsdienste rentieren sich üblicherweise erst ab einer gewissen Bevölkerungsdichte. Doch auch in ländlichen Räumen könnten z.B. digitale Mitfahrzentralen oder Carsharing-Plattform für Privatleute relevante Optionen werden. Dies gilt vor allem dann, wenn durch die Bremsung der Staatsverschuldung der Öffentliche Verkehr in klassischer Form nicht mehr flächendeckend angeboten werden kann. Ländliche Bewohner ohne eigenes Auto werden dann entweder in die Städte ziehen, oder auf ergänzende Formen öffentlich zugänglicher Verkehrsmittel zurückgreifen. Steigende Kraftstoffpreise infolge zurückgehender Ölförderung können das Fahrzeugteilen zusätzlich attraktiv machen.

Steffen Bilger: Schon heute ist es so, dass Städter und Landbewohner sich unterschiedlich fortbewegen. Klar lässt sich das am Nutzungsverhalten von Privatautos ablesen. Je weniger dicht besiedelt eine Region ist, desto weniger lohnt sich Öffentlicher Verkehr desto mehr steigt der Mobilisierte Individualverkehr. So wird es sicherlich auch in Zukunft sein. Allerdings bieten vollvernetzte Verkehre auch die Chance, Sammeltaxen besser zu nutzen – vor allem, wenn sie dann schon autonom unterwegs sind. In der Großstadt werden aber auch weiterhin schnelle Großverkehre (wie U-Bahnen) nötig sein.

Welcher Aspekt der Mobilität ist Ihrer Meinung nach am stärksten unterschätzt?

Christian Scherf: Hierzu zähle ich auf jeden Fall den Platzverbrauch durch parkende Straßenfahrzeuge. Der durchschnittliche Privat-Pkw steht etwa 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. Wenn er im öffentlichen Raum geparkt ist, versperrt er Flächen, die der Allgemeinheit de facto entzogen werden. Mit welchem Recht eigentlich? Hier können besonders Stadtbewohner wirklich etwas zurückgewinnen. Die Folgen sind in Ländern mit rasantem Bevölkerungswachstum und „nachholender“ Motorisierung noch viel gravierender als hierzulande. Urbanisierung und Steigerung der Lebensqualität werden dort nur dann zusammengehen, wenn Mobilität möglichst raumsparend vollzogen wird. Privatbesitz an größeren Straßenfahrzeugen ist in Ballungsräumen letztlich nicht sinnvoll.

Steffen Bilger: Unsere heutige Mobilität ist weder umwelt-, noch klimafreundlich, dazu laut und teuer. Alles spricht also für Autos mit Elektromotor. Wenn dann noch die Vollvernetzung und Digitalisierung des echten selbstfahrenden Selbstfahrers kommt, werden wir auf einen Schlag viele Verkehrsprobleme lösen können. Als CDU/CSU unterstützen wir diesen Wandel und setzen uns dafür ein, dass unsere Automobilindustrie hier an der Spitze bleibt. Denn der Trend zu besagtem Wagen ist unübersehbar – die Frage ist nur, wer nachher den Markt damit beherrscht. Durch die neuen Möglichkeiten entstehen auch neue Geschäftsfelder.

Gerade in Städten verzichten immer mehr Menschen auf ein eigenes Auto und kombinieren stattdessen je nach Bedarf verschiedene öffentliche oder mietbare Verkehrsmittel. Welche Rolle spielt dabei die zunehmende Vernetzung der Nutzer? Hat sie diese Entwicklung erst möglich gemacht und wie wird sie sich weiterentwickeln?

Christian Scherf: Ohne die Fortschritte, etwa die Verbreitung internetfähiger, mobiler Endgeräten in Form der allgegenwärtigen Smartphones, wären ganze Dienstleistungen kaum möglich. Denken Sie nur an das stationslose, flexible Carsharing, bei dem die aktuell verfügbaren Autos über Apps auf dem Handy angezeigt werden. Es wird immer mehr zur Selbstverständlichkeit werden, dass Mobilitätsanbieter über eine sogenannte „digitale Signatur“ verfügen. D.h. wer seine Leistungen nicht im Netz bzw. über das Smartphone anbietet, hört für den Endnutzer praktisch auf zu existieren.

Steffen Bilger: Das Smartphone hat ganz eindeutig erst dafür gesorgt, dass die individuelle Vernetzung möglich wurde. Das flächendeckende schnelle Internet über Mobilfunk hat hier den Durchbruch mit verursacht. Die Entwicklung wird weiter voranschreiten und wenn ab etwa 2020 das so genannte Echtzeitinternet (5G) kommt, wird alles noch einfacher.

Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung nimmt auch bei unserem Mobilitätsverhalten eine immer größere Rolle ein. Sei es, dass wir spontan ein Fahrzeug ausleihen oder das Straßenbahnticket mit dem Smartphone kaufen. Aber auch die Fahrzeuge werden immer selbstständiger. Autonomes Fahren ist keine Utopie mehr. Welchen Einfluss wird die Technik in Zukunft auf unser Mobilitätsverhalten haben?

Christian Scherf: Ein Fahrzeug selbst zu fahren, wird auch in Zukunft seinen Reiz behalten. Mit dem Fortschreiten der Autonomisierung wird es aber immer mehr zu einer Freizeitbeschäftigung für Liebhaber werden. Etwa so, wie heute das Fahren von Oldtimern oder das Fahrzeugtuning. Die Menschen werden die Möglichkeit, während der Fahrt andere Dinge zu tun, als Erleichterung zu schätzen lernen. Die Abstimmung autonom fahrender Autos, wird auch erst dann zur vollen Entfaltung kommen, wenn nahezu alle Straßenfahrzeuge autonom unterwegs sind. Nicht zuletzt bietet es auch attraktive Perspektiven für die Taxi- und Carsharing-Nutzung, wenn das Auto fahrerlos zum Kunden fährt.

Steffen Bilger: Das menschliche Verhalten in 25 Jahren lässt sich schwer vorhersagen, ich bin dann selbst über 60 Jahre alt. Einerseits kann man in Filmen wie „Minority Report“ sehen, wie es sein könnte: Eine Flotte von „Taxen“ versorgt alle Einwohner mit der Autonutzung. Ich kommuniziere, wann ich von wonach wo möchte und ein Wagen holt mich ab und bringt mich hin, eventuell zusammen mit anderen, die ähnliche Ziele habe. Manche denken, dass bei dieser bequemen Mobilität das Verkehrsaufkommen steigen wird. Persönlich denke ich aber, dass Technik, gesunder Menschenverstand – und zur Not Gesetze – zu einem besseren Mobilitätsverhalten führen werden.

Bildnachweis: Tim Reckmann  / pixelio.de

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