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Think Tank ohne Gastank?

Berlins neuer Thinktank „Agora Verkehrswende“ will am 1. Juli seine Arbeit aufnehmen. Das Projekt soll einen massiven Wandel im Verkehrswesen ankurbeln und CO2 aus der Mobilität verbannen. Agora verfügt etwa mit dem ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer über beste Verbindungen zur Politik, so dass man davon ausgehen kann, dort gehört zu werden – beispielsweise vom zuständigen Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake, der vor seiner Tätigkeit im Ministerium an der Spitze des Think Tanks „Agora Energiewende“ stand, dessen Beirat er immer noch angehört. Mit an Board wird auch der scheidende Untergeneralsekretär und Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen Achim Steiner sein, der ab Juli 2016 Vorsitzender des Rats der Agora Verkehrswende wird.

Es ist gut, wenn technologische Verbesserungen für den Umweltschutz gesucht, mit der Politik diskutiert und gegebenenfalls gefördert werden. Unsere Gesellschaft braucht nicht zuletzt im Bereich der Mobilität eine entsprechende Neuorientierung, die weder allein von der Politik noch von der Energiewirtschaft geschaffen werden kann. Und da können gut vernetzte Denkfabriken durchaus hilfreich sein. Doch passt die Ankündigung, man wolle einen „informierten und technologisch offenen Austausch über lösungsorientierte Ansätze zur Elektromobilität und einem dekarbonisierten Verkehrssystem in Deutschland“ anstoßen, nicht zu einer einseitigen Festlegung auf Elektromobilität. Schließlich gibt es noch eine andere nahe liegende Lösung, die zudem schneller und zielsicherer die erwünschte Verkehrswende herbeiführen könnte: Das Gasauto.

Skepsis an der einseitigen Förderung äußerte kürzlich auch Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann auf einer Tagung zum Thema Power-to-Gas. Geteilt wurde seine Skepis ebenfalls von Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), der seinen Unmut pointiert mit den folgenden Worten formulierte: „Die Politik tut gut daran, nicht Technologieentscheidungen zu treffen“. Das genau tut sie nämlich mit der Großinitiative für E-Mobilität. Die Automobilindustrie spielt das Spiel natürlich mit, vor allem der reumütige VW-Konzern, der bereits große Pläne ankündigt. Daimler-Chef Dieter Zetsche ist da etwas vorsichtiger und gab im Handelsblatt zu, es sei Spekulation, wann das E-Auto wettbewerbsfähig sei. Vielleicht wäre es ehrlicher zu sagen: … ob es jemals wettbewerbsfähig sein wird.

Das sieht beim Gasauto deutlich besser aus. Um das vollständige Potenzial von Gasautos, die derzeit noch vornehmlich mit dem fossilen Brennstoff Erdgas betrieben werden, zu erkennen, muss man erstens wissen, dass die Motoren ebenso mit den CO2-neutralen Gasen Biomethan und synthetisch hergestelltem Methan betrieben werden können.

Dabei könnte die innovative Technologie „Power-to-Gas“, die in den letzten Jahren deutlich an Beachtung und Reife gewonnen hat und sogar schon eingesetzt wird, eine sehr wichtige Rolle für die gesamte Energiewende spielen, da sie endlich das Speicherproblem des wetterabhängigen, schwankungsstarken Stroms aus Windrädern und Solaranlagen lösen würde. Bei günstiger Witterung fällt bei diesen Erneuerbaren Energien schon jetzt überschüssiger Strom an, der weder genutzt noch gespeichert werden kann. Der überschüssige und über die EEG-Umlage teuer bezahlte Strom nimmt mit dem angestrebten Ausbau der Wind- und Solaranlagen wahrscheinlich weiter zu.

Zweitens lassen sich die grünen Gase mit Erdgas in den Netzen und Speichern mischen (Wasserstoff allerdings nur mit Einschränkung). Auf diese Weise ist keine unrealistische, radikale „Technologierevolution“, wie Agora kampfbereit formuliert, notwendig. Stattdessen könnten CO2-Einsparungen Zug um Zug evolutorisch realisiert werden. 2014 enthielt der Kraftstoff Erdgas in Deutschland durchschnittlich bereits mehr als 20 Prozent Biomethan. Gegenüber einem durchschnittlichen Benziner reduziert dieses Gasgemisch die CO2-Emission schon um satte 40 Prozent – Tendenz steigend. Im Juli 2015 gab es sogar an 170 Zapfsäulen reines Biomethan.

Drittens existiert eine wertvolle Infrastruktur samt Know-how für den Transport und die Speicherung von Gas. Selbst beim Tankstellennetz, das natürlich noch dichter werden muss, fängt man nicht bei Null an, sondern kann immerhin auf fast 1000 Tankstellen bauen.

Zu diesen, hier kurz umrissenen Potenzialen einer Emissionsverbesserung, die eine Verbreitung des Gasautos mit sich bringen würde, gesellen sich weitere Argumente, die für die überlegene Wettbewerbsfähigkeit auf dem Automobilmarkt der Zukunft sprechen. Da wäre erstens die Tatsache, dass längst voll ausgereifte Modelle unterschiedlichster Klassen und Hersteller auf Deutschlands Straßen fahren. Zwar fahren dort mittlerweile auch ein paar Elektromodelle, deren Technik als weitgehend ausgereift gelten. Jedoch ist allen, am stärksten den preislich noch halbwegs erschwinglichen Modellen ein großer Schwachpunkt gemein: Die Batterie. Die Folge: Eine zu geringe Reichweite, eine zu lange Tankdauer sowie ein zu hoher Anschaffungspreis.

Die geringe Reichweite und die Zeit für die Betankung können manche Nutzer im Stadtverkehr vielleicht noch hinnehmen. Für Viel-, Überland- oder LKW-Fahrer kann das Elektroauto aber keine Alternative zum Benziner oder Diesel sein. Und der hohe Anschaffungspreis, der mit der Leistungsstärke der Batterie deutlich steigt, braucht selbst mit Subventionierung echte Idealisten.

Das Resümee aus allen Argumenten kann meiner Einschätzung nur lauten, das Elektroauto nicht über zu bewerten, sondern es lediglich als Lösung für spezielle Nutzungsgewohnheiten zu sehen und den Fokus stärker auf Autos mit grünem Gas zu legen. Oder, wie es die Geschäftsführerin der Deutschen Energieagentur (Dena), Kristina Haverkamp, kürzlich auf den Punkt brachte: Biomethan ist eine gute Alternative, und auch an Wasserstoff oder synthetischem Methan komme man nicht vorbei.

Markus Wild

ONTRAS Gastransport GmbH Leipzig

Foto: Archiv ONTRAS Gastransport GmbH

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